Bio-Mo-D: Keine Bilanz mehr ohne Wertschätzung der Natur

Der 22. Mai ist der Welttag der biologischen Vielfalt. Dann rückt der Wert der Natur und ihrer Leistungen wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein. Doch wie können Biodiversität und Ökosystemleistungen generell stärkere Beachtung finden – vor allem in der nationalen Wirtschaftsberichterstattung und den Bilanzen einzelner Unternehmen? Das Projekt Bio-Mo-D, das vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) koordiniert wird, sucht nach Antworten auf diese Frage.

Ohne intakte Ökosysteme und die vielfältigen Leistungen der Natur wären gesellschaftliches Wohlergehen und wirtschaftlicher Erfolg nicht denkbar. Umso fataler ist es, dass die Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen oft gleich in doppelter Hinsicht unberücksichtigt lässt. In die Berichte und Bilanzen der Regierung und von Unternehmen werden meist weder Umweltschäden eingerechnet, noch gehen die vielfältigen Leistungen der Natur als Produktionsfaktoren ein.

Wie lässt sich dies ändern? Wie lassen sich Wirtschaftsberichterstattungen so erweitern, dass Ökosystemleistungen und Indikatoren für biologische Vielfalt darin Beachtung finden? Was ist notwendig, damit Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ökologisch nachhaltige Entscheidungen treffen können und damit Natur und biologischer Vielfalt eine höhere Wertschätzung entgegenbringen?

Diesen Fragen geht das IÖR gemeinsam mit Partnern im Projekt Bio-Mo-D (Wertschätzung von Biodiversität – Zur Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland) nach. Gefördert wird Bio-Mo-D durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA). Zum Projektverbund gehören die Value Balancing Alliance und BASF als Praxispartner aus der Wirtschaft sowie das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und das IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Bis Herbst 2024 untersucht das Projektteam, welche Werte und Indikatoren künftig in unternehmerische Bilanzierungen sowie die nationale Wirtschaftsberichterstattung einfließen könnten und wie die Integration standardmäßig gelingen kann. Dazu gilt es zunächst, verschiedene Kennwerte, Indikatoren und Daten zusammenzutragen, die geeignet sind, den Wert der Natur darzustellen und so überhaupt bilanzierbar zu machen. Das Projektteam wird darüber hinaus prüfen, welche Standards und einheitlichen Methoden erforderlich sind, um ausgewählte Kennwerte in die unterschiedlichen Wirtschaftsberichterstattungen integrieren zu können.

"Eine der größten Herausforderungen wird es sein, aus der Fülle der Daten diejenigen herauszufiltern, die am aussagekräftigsten sind. Denn wir wollen Leitkennziffern entwickeln, auf deren Basis Unternehmen und Regierungen bessere Entscheidungen für den Schutz von Ökosystemen und Artenvielfalt treffen können", erläutert Karsten Grunewald vom IÖR, der das Projekt leitet. Dafür müssen die Forschenden Veränderungen und ihre Folgen ökologisch und monetär bewerten. Was bedeutet es etwa, wenn Flächen mit naturnahem Grünland abnehmen oder ökologisch bewirtschaftete Ackerflächen zunehmen? Was hat das für Folgen für die Grundwasserqualität oder die Nist- und Futterhabitate von Wildbienen? "So wie wir an Dax-Berichten ablesen können, wie es unserer Wirtschaft geht, so brauchen wir auch eine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung, ein ‚Naturbarometer‘, in den Berichtssystemen. Die dafür erforderlichen Bausteine erarbeiten wir im Projekt Bio-Mo-D", erklärt Karsten Grunewald.

Ergänzt werden diese Projektaktivitäten durch eine Politikfeld- und eine Stakeholderanalyse. Ziel ist es unter anderem herauszufinden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen es in Deutschland und der EU gibt, welche Akteure sich bereits in welcher Weise mit der Integration von Naturwerten in die Wirtschaftsberichterstattungen beschäftigen und wo sich Schnittstellen zwischen nationaler und unternehmerischer Bilanzierung ergeben. Auch nach bereits bestehenden Netzwerken und Möglichkeiten, neue Kooperationen und Synergien zu schaffen, suchen die Projektpartner. Nicht zuletzt wollen sie den Informationsfluss zwischen der Forschung zu Biodiversität und Ökosystemleistungen und politischen sowie wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen verbessern.

"Wenn wir erreichen könnten, dass bei der Bemessung von wirtschaftlichem Erfolg und Wohlstand nicht allein das reine Wirtschaftswachstum zählt, sondern stattdessen auch der Wert intakter Ökosysteme an Bedeutung gewinnt, dann wäre sehr viel für die Natur und auch unser Wohlergehen erreicht", so Karsten Grunewald.

Weitere Informationen zum Projekt Bio-Mo-D

Wissenschaftlicher Kontakt im IÖR
Dr. Karsten Grunewald, E-Mail: K.Grunewaldioer@ioer.de


Hintergrund
Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.

 

Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. wird gemeinsam durch Bund und Länder gefördert.

FS Sachsen

Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.