Wie Planer*innen gemacht werden

Subjektivierungen von Planer*innen im Kontext von Regionalplanung und Windenergie in Deutschland

Hintergrund

Subjektivierungen sind in der Planungsforschung bislang wenig beachtet worden. Das ist überraschend, weil es für ein umfassenderes Verständnis von Planung erforderlich ist, auch die Planungssubjekte konzeptionell zu berücksichtigen, also diejenigen, die daran mitwirken. Planungspolitik funktioniert immer öfter als Identitätspolitik, indem sie versucht, Planungsprozesse und deren Ergebnisse über die Subjektivierungen der Beteiligten zu beeinflussen. Im Zentrum des Projekts steht räumliche Planung im Sinne kollektiver, absichtsvoller Prozesse räumlicher Gestaltung und Entwicklung. Die Regionalplanung ist Teil der gesetzlich definierten und nach Maßstabsebenen gestaffelten Raumordnung, die auch informelle, beteiligungsorientierte Elemente beinhalten kann.

Ziele

Das Projekt basiert auf einem integrativen Zugang zu Planungssubjekten und den größeren Machtstrukturen, in die sie eingebettet sind und die sie reproduzieren. Hauptziel ist es, Subjektivierungen von Planer*innen in Deutschland an der Schnittstelle von Regionalplanung und Windenergie zu untersuchen, weil sich Windenergie zu einem sehr umstrittenen und somit geradezu beispielhaften Thema der Regionalplanung entwickelt hat. Das Projekt stützt sich auf poststrukturalistische – oder postfundamentale – Theorien der Konstruktion von Identitäten in Verbindung mit Foucaults Gouvernementalitätsperspektive. Dabei wird angenommen, dass das Subjekt nicht der Ursprung sozialer Beziehungen ist, sondern in gewisser Weise ein Produkt diskursiv erzeugter Identitäten und Praktiken darstellt. Daher werden Subjektivierungen als Ergebnis des Zusammenspiels von Macht-Wissens-Komplexen – oder Diskursen –, denen sich die Individuen unterwerfen und durch die sie erst zu Subjekten werden, und Praktiken analysiert, mit denen Individuen selber ihre Identität formen. Die Subjektivierungen von Planer*innen werden im Lichte unterschiedlicher Regierungsweisen wie Souveränität oder Neoliberalismus interpretiert. Damit soll auch der Stand der Planungstheorie insgesamt voran gebracht werden.

Methodik

In methodischer Hinsicht beruht das Projekt auf Textanalysen und narrativen Interviews mit Regionalplaner*innen in Verbindung mit Kodiertechniken. Die Auswahl der Textdokumente und Interviewpartner*innen folgt der Logik maximaler Varianz, um ein möglichst breites Spektrum von Subjektpositionen und Subjektivierungsweisen abzudecken. Die Textanalysen richten sich auf die deutschsprachige Planungsliteratur sowie auf Leitfäden, Handbücher und Internetseiten zu Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung.

Bisher erreichte Ergebnisse

In einem ersten Beitrag (Leibenath 2019) wurde ein Forschungsansatz angewandt, der berufliche Identitäten als Ergebnis des Zusammenwirkens gesellschaftlicher Anforderungen und eigener Handlungen in den Fokus rückt. Es wurde gezeigt, welche Rollen Regionalplanern von außen zugewiesen werden und wie Regionalplaner selber ihre beruflichen Identitäten wahrnehmen und daran arbeiten. Anhand von Dokumentenanalysen und autobiographisch-narrativen Interviews wurde untersucht, welche Subjektpositionen in schriftlichen Diskursfragmenten, die sich auf Regionalplanung und Windenergie beziehen, zu finden sind, welchen äußeren Anforderungen sich Regionalplaner ausgesetzt sehen, welche Ansprüche sie selber an ihr berufliches Handeln stellen, welche Techniken des Selbst sie praktizieren und welche diesbezüglichen Spannungen sie wahrnehmen. Die Ergebnisse knüpfen an internationale Untersuchungen über planerische Identitäten an und können als Angebot an die Praxis gelesen werden, individuelle Praktiken und Spielräume der Identitätsarbeit zu reflektieren.

Publikationen

Leibenath, M. (2019), Berufliche Identitäten von Regionalplanern im Kontext der Windenergienutzung: eine poststrukturalistische Perspektive. Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning, 77, 2, 165-180 https://dx.doi.org/10.2478/rara-2019-0008.

Thiele, P. & Leibenath, M. (2020), Business as usual? Regionalplanung, Kohleausstieg und Populismus, Book of Abstracts: 5. Dortmunder Konferenz ‚Räume neu denken – Planung in einer Welt im Wandel‘. 17.-18. Februar 2020 (124). Dortmund: TU Dortmund – ILS – ARL. 

Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. wird gemeinsam durch Bund und Länder gefördert.

FS Sachsen

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