Baulandumfrage 2020

Bundesweit repräsentative Stichprobe zu Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen

Für ein informiertes und zukunftsgerechtes Flächenmanagement – zwischen dem vielerorts akuten Ruf nach einer verstärkten Bereitstellung von Bauland einerseits und der Verminderung der Flächen-Neuinanspruchnahme als Ziel nachhaltiger Entwicklung andererseits – braucht es belastbare Grundlagendaten. Hauptziel des Projektes war deshalb im Anschluss an frühere bundesweite Umfragen die Erhebung aktueller Daten und Informationen zu Baulandreserven und Innenentwicklungspotenzialen sowie zum Stand und zu Methoden der Baulanderfassung und –mobilisierung in deutschen Städten und Gemeinden. Die Durchführung des Projektes erfolgte im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sowie in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Erhebung wurde durch den Deutschen Städtetag sowie den Deutschen Städte- und Gemeindebund unterstützt.

Ausgangslage

Zwei wesentliche Themen bestimmen seit einigen Jahren die Diskussion zur Flächennutzung im Rahmen der Siedlungsentwicklung. Zum einen sind die Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme und der Schutz des Bodens zentrale Ziele einer nachhaltigen Entwicklung der gebauten Umwelt auf internationaler und europäischer Ebene ebenso wie in nationalen Programmen. So wird ein verantwortungsvoller Umgang mit den globalen Flächen-Ressourcen als wesentliches Querschnitts-Element bei der Erreichung der "Sustainable Development Goals" gesehen. Für die europäische Ebene betont die aktuelle "EU Soil Strategy for 2030" (European Commission 2021) noch einmal ausdrücklich das bereits im "Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa" fixierte Ziel, "die Landnahme so zu reduzieren, dass bis 2050 netto kein Land mehr verbraucht wird" (Europäische Kommission 2011). Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wie auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung (Zeilen 1316–1318) konkretisieren dieses Anliegen mit dem Ziel, die tägliche Flächenneuinanspruchnahme bis zum Jahr 2030 auf unter 30 ha/Tag zu begrenzen.

Zum anderen hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Damit thematisiert sie den – insbesondere in Siedlungsräumen unter Wachstumsdruck – großen Bedarf an einer verstärkten und beschleunigten Bereitstellung von Bauland. Gelingt dies nicht, drohen die Preise und Mieten weiter zu steigen und bezahlbarer Wohnraum so knapp zu werden, dass sich nicht mehr alle Haushalte mit ausreichend Wohnfläche versorgen können. Um eine angemessene Wohnungsversorgung zu gewährleisten, hat die Baulandkommission im Juli 2019 Vorschläge erarbeitet, die auch die Empfehlung für verbesserte Datengrundlagen zum Thema Bauland und eine höhere Transparenz von Baulandpotenzialen und -bedarfen enthält (Baulandkommission 2019).

Gleichzeitig wird eine regelmäßige, bundesweit vergleichbare Erhebung von Kerninhalten für ein Flächenmanagement und Baulandmonitoring in Deutschland nach wie vor nicht durchgeführt. Unabhängig von Erhebungen auf kommunaler, regionaler oder Landes-Ebene liegen als aktuellste Querschnitt-Erhebungen auf Bundesebene Baulanderhebungen von 2003 und 2006 sowie eine Erhebung von Innenentwicklungspotenzialen von 2012 vor. Damit fehlen wesentliche aktuelle Grundlagen für die informierte Gestaltung einer zukunftsgerechten Baulandversorgung.

Ziele

Hauptziel dieses Vorhabens war dementsprechend eine bundesweite Erhebung der Bauland- und Innenentwicklungspotenziale mittels einer Umfrage bei Städten und Gemeinden. Erhoben werden Flächenpotenziale für Wohnen, Gewerbe und andere Nutzungen als Grundlage bundesweiter sowie regionalisierter und nach Raumtypen differenzierter Hochrechnungen. Auf dieser Grundlage erfolgte zudem eine Gegenüberstellung von Flächenpotenzialen und Wohnraumbedarfen einschließlich einer Abschätzung von auf den Flächen realisierbaren Wohnungsbaupotenzialen. Um Entwicklungen abbilden zu können, verglich das Projektteam darüber hinaus die aktuellen Ergebnisse mit jenen einer Umfrage aus 2012 zu den Innenentwicklungspotenzialen (vgl. BBSR 2014).

Neben der Quantifizierung von Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen lag ein weiterer Schwerpunkt der Erhebung auf der Abbildung von Situation und Entwicklungstendenzen bei der Flächenerfassung und dem Flächenmanagement. Dabei geht es sowohl um die Inhalte (Brachflächen, Baulücken, Leerstand etc.) als auch um Praktiken und verwendete (digitale) Lösungen (Flächenmanagement-Systeme, -Datenbanken, "-Tools" etc.).

Ein drittes wesentliches Anliegen der Studie war schließlich, Erkenntnisse zur Aktivierbarkeit von Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen und Mobilisierungsaktivitäten zu erheben, also die tatsächliche Verfügbarkeit der Potenzialflächen abzuschätzen und erfolgversprechende Ansätze zur Baulandmobilisierung aufzuzeigen.
Und letztlich wurden ergänzend zu den nationalen, länderspezifischen und kommunalen Beispielen auch instruktive internationale Aktivitäten und Erfahrungen mit der Erfassung und Mobilisierung von Baulandpotenzialen recherchiert und ausgewertet.

Forschungsansatz

Der grundsätzliche Forschungsansatz der Baulandumfrage 2020 baute auf drei methodische Zugänge:

  • Vorbereitende Recherchen zu Methoden und Status der Baulanderfassung und -mobilisierung
  • Durchführung einer Online-Umfrage unter Städten und Gemeinden
  • Durchführung von Fallstudien-Untersuchungen

Im Rahmen der vorbereitenden Recherchen wurden vorliegende Erfahrungen, Ansätze, Methoden und "Tools" zur Baulanderfassung und -mobilisierung recherchiert und dargestellt. Hierbei wurden Initiativen auf den verschiedenen föderalen Ebenen (Bund, Länder, Regionalplanung, Kommunen) betrachtet und durch einige interessante internationale Ansätze ergänzt, die als Good-Practice-Beispiele auch auf Deutschland übertragen werden können. Ziel der Analyse war es außerdem, den Untersuchungsrahmen hinsichtlich der Erfassung von Baulandpotenzialen zu konkretisieren, also beispielsweise festzulegen, welche Flächenarten einzubeziehen sind (Definitionen).
Den Kern des Projektes bildete die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Baulandumfrage 2020 als standardisierte Online-Erhebung. Inhaltlich baute sie auf Kernelemente des Fragebogens der Innenentwicklungs-Studie von 2012 sowie auf die Fragebögen "Wohnbauland" und "Gewerbebauland" der Baulandumfrage von 2006 auf. Den Entwurf des Fragebogens stimmte das Projektteam in mehreren Pretest-Runden sowie einem Online-Workshop mit Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis ab. An der Abstimmung beteiligt waren auch Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, die die Umfrage unterstützen. Eine Druckfassung des online Fragebogens kann heruntergeladen werden. Ebenfalls in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wurden knapp 3.000 Städte und Gemeinden angeschrieben (Bruttostichprobe). In der Stichprobe enthalten sind alle 1.593 (31.12.18) Städte und Gemeinden ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner (EW), rund 50 % der Städte und Gemeinden mit 5.000-9.999 EW sowie rund 10 % der kleinen Gemeinden unter 5.000 EW. Der Versand des Links zum Online-Fragebogen erfolgte im Juli 2020 per E-Mail an die jeweils fachlich passenden Verwaltungsbereiche. Nach verschiedenen Nachfassaktionen wurde die Erhebung am 31.01.2021 abgeschlossen.

Ergänzend zur Umfrage wurden mehrere systematisch ausgewählte Kommunen unterschiedlicher Raumtypen und Entwicklungskontexte in Kooperation mit lokalen Praxisakteuren als Fallstudien einer intensiveren Analyse unterzogen. Zentrales Ziel der Fallstudienuntersuchungen war es, in Erweiterung und Vertiefung der grundlegenden Recherchen innovative und wegweisende Ansätze und Erfahrungen mit der Erfassung und Mobilisierung von Baulandpotenzialen aufzuzeigen. Zudem dienten die Fallstudienuntersuchungen dazu, die Ergebnisse der standardisierten Erhebung qualitativ zu untersetzen.

Forschungsleitfragen

Die Untersuchungen zielten auf die Beantwortung folgender zentraler Forschungsleitfragen:

  • Wieviel Bauland- und Innenentwicklungspotenziale stehen nach Einschätzung der Kommunen in Deutschland zur baulichen Nutzung bundesweit und in den verschiedenen Raumtypen zur Verfügung?
  • Welche Qualitäten (Lage, Zuschnitt, Belastung) und welche Herkunft (Wohnen, Gewerbe, Freiflächen , Sonstiges) weisen die Bauland- und Innenentwicklungspotenziale auf?
  • Welche zukünftigen Nutzungen sind vorgesehen, wieviel Wohn- oder Gewerbeeinheiten könnten auf den Flächen realisiert werden?
  • Wie stellt sich die Situation bei der Flächenerfassung, der Flächeninformation und dem Flächenmanagement dar? Welche Ansätze, Instrumente und Entwicklungstendenzen gibt es hier?
  • Welche Erfahrungen und Ansätze gibt es hinsichtlich der Mobilisierbarkeit der Flächen? Wie wird der Zeitrahmen bis zu ihrer Bereitstellung eingeschätzt (realisiert, aktuell mobilisierbar, geplant)?
  • Welche nationalen, länderspezifischen und kommunalen Aktivitäten und Erfahrungen mit der Erfassung und Mobilisierung von Baulandpotenzialen gibt es über die im Rahmen der Umfrage und den Fallstudien erhobenen Beispiele hinaus? Welche internationalen Beispiele und Erfahrungen bieten geeignete Anknüpfungspunkte zur Übertragung auf die Situation in Deutschland?

Ergebnisse

Bundesweit repräsentative Fragebogenerhebung

Der Rücklauf der Baulandumfrage 2020 beträgt insgesamt 1.084 Rohdatensätze. Nach Abschluss der Datenbereinigung umfasst die finale Nettostichprobe verwertbare Datensätze von 692 Städten und Gemeinden und repräsentiert damit knapp ein Viertel (23,1 %) der für die Baulandumfrage kontaktierten Gemeinden. Das sind insgesamt 6,4 % der Gemeinden der Grundgesamtheit (vgl. Tabelle 1).
 

Gemeindegrößen-
klassen nach Zahl der Einwohnerinnen
und Einwohner
Anzahl der Gemeinden
(Grundgesamtheit)
Anzahl Bruttostich-
proben
(Versand)
Anzahl Nettostich-
proben
(Rücklauf)
% Rücklauf
bezogen auf Versand
% Rücklauf bezogen auf Grund-
gesamtheit
Gesamt10.7992.99069223,16,4
>=500.000 EW14141178,678,6
100.000 – 499.000 EW67672740,340,3
20.000 – 99.999 EW62162115925,625,6
5.000 – 19.999 EW2.2511.54934522,315,3
<5.000 EW7.84674915020,01,9


Tabelle 1: Übersicht über den Rücklauf verwertbarer Fragebögen in fünf Gemeindegrößenklassen (Grundgesamtheit Stand 31.12.2019); Quelle: Berechnung und Darstellung IÖR, im Auftrag des BBSR

Die folgende Darstellung wesentlicher Ergebnisse beschränkt sich auf eine Gesamtbetrachtung. Differenzierungen, beispielsweise nach Regionstypen und Gemeindegrößenklassen, enthalten die entsprechenden Veröffentlichungen.

Flächenpotenziale

Der flächenbezogene Untersuchungsrahmen der Umfrage umfasst die drei Hauptkategorien Innenentwicklungspotenziale, weitere baureife Baulandreserven mit gesicherter Erschließung sowie zusätzliche langfristige Baulandpotenziale (Rohbauland und Bauerwartungsland).

Innenentwicklungspotenziale
Aus den Angaben der Befragten lassen sich Innenentwicklungspotenziale (IEP) von bundesweit mindestens rund 84.000 ha hochrechnen. Bezogen auf Einwohnerinnen und Einwohner (EW) entspricht das insgesamt etwa 10 m²/EW, bezogen auf die Siedlungsfläche rund 4 % der Siedlungsfläche für Wohnen, Industrie und Gewerbe (WIG). Im Vergleich mit den im Ergebnis der Erhebung von IEP im Jahr 2012 als Untergrenze hochgerechneten etwa 120.000 ha (vgl. BBSR 2014) bedeutet der aktuelle Wert einen Rückgang um rund 36.000 ha.
Von den ermittelten circa 84.000 ha IEP entfallen knapp 40 % auf Brachflächen und gut 60 % auf Baulücken. Dabei liegen die Angaben der Befragten zu IEP auf Grundlage vorliegender Daten tendenziell höher als bei geschätzten Angaben. Unter der Annahme, dass auf Grundlage vorliegender Daten gültigere Angaben gemacht wurden, lässt sich durch eine Korrekturschätzung ein oberer Schätzwert für IEP von rund 106.000 ha ermitteln. Dieser Wert lag 2012 bei etwa 165.000 ha. Bemerkenswert ist dabei, dass diese in absoluten Zahlen reduzierten IEP zugleich in Relation zur heute gegenüber 2012 ebenfalls reduzierten durchschnittlichen Flächenneuinanspruchnahme eine grundsätzlich vergleichbare Größenordnung aufweisen.

Weitere baureife Baulandreserven
Ergänzend zu den IEP erhob das Projektteam weitere baureife Baulandreserven mit gesicherter Erschließung. In aggregierter Hochrechnung von IEP und weiteren baureifen Baulandreserven ergibt sich ein Baulandpotenzial von insgesamt rund 99.000 ha als validierte Untergrenze. Der obere Schätzwert liegt insgesamt bei 132.000 ha. Rund 55 % dieses Gesamt-Baulandpotenzials schätzen die Städte und Gemeinden insgesamt als direkt nutzbar oder kurzfristig mobilisierbar ein. Bei den vorgesehenen Nutzungen steht Wohnen auf rund 65 % der Flächen an erster Stelle, gefolgt von Gewerbe auf knapp 25 % der Flächen. Flächen für Grün und Erholung sind nur auf etwa 3,5 % der Flächen vorgesehen – also deutlich weniger als deren aktueller Anteil von über 10 % an der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Der Rest entfällt auf sonstige oder unbekannte Nutzungen.
Je nach Annahmen zur Bebauungsdichte in Wohneinheiten (WE) pro Hektar und unter ausschließlicher Berücksichtigung des direkt nutzbaren oder kurzfristig mobilisierbaren Anteils des Gesamt-Baulandpotenzials von 99.000 ha lassen sich auf dem für Wohnen vorgesehenen Flächenanteil theoretisch zwischen knapp 900.000 und gut 2.000.000 WE realisieren. Dem steht auf Grundlage von Berechnungen des Wohnungsbedarfsmodells des IW bis zum Jahr 2025 ein angenommener Wohnraumbedarf von rund 1,5 Millionen WE gegenüber. Zusätzlich kann das Wohnungsbaupotenzial je nach Annahmen – beispielsweise Bezug auf oberen Schätzwert, Berücksichtigung längerfristiger Potenziale, Annahme höherer Dichten – theoretisch auf mehr als 4.000.000 WE steigen (heute nicht absehbare, aber erfahrungsgemäß realisierte Flächenzuflüsse nicht einbezogen). Dies würde jedoch einen erheblichen Wandel aktueller Planungsrealitäten und Nachfrage-Präferenzen erfordern. Eine differenzierte Darstellung realisierbarer Wohneinheiten für die verschiedenen Flächenpotenziale sowie nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden zeigt Tabelle 2.

Zusätzliche langfristige Baulandpotenziale
Mit Blick auf die dritte erhobene Flächenkategorie zusätzlicher „langfristiger Baulandpotenziale“ summieren sich die Angaben der Befragten auf rund 34.000 ha B-Plan-Potenziale (Rohbauland; ohne gesicherte Erschließung) sowie etwa 100.000 ha FNP-Potenziale (Bauerwartungsland). Dabei sind für insgesamt knapp 70 % der B-Plan-Potenziale und knapp 40 % der FNP-Potenziale Prozesse eingeleitet, die Baurecht schaffen. Diese langfristigen Potenziale sind in der obigen Abschätzung möglicher Wohnraumpotenziale nicht enthalten, können diese aber erhöhen. Entsprechende Größenordnungen zeigt Fehler: Verweis nicht gefunden. Abbildung 1 zeigt die erhobenen Flächenpotenziale zusammenfassend im Überblick in Relation zur Siedlungsfläche für Wohnen, Industrie und Gewerbe (WIG).
 

 Flächen-
potenzial
Methode (1)
25 WE/ha
Methode (2)
BBSR-Kreistyp
Methode (3)
GGK
Potenzialtyp↓Hektar
(gesamt)
WE in Mio.WE in Mio.
Min – Max
WE in Mio.
Min – Max
Innenentwicklungs­potenziale (IEP)84.4001,4071,750 – 3,5001,439 – 2,878
Gesamtpotenzial
(IEP + weiteres baureifes Bauland)
98.9001,6482,065 – 4,1301,647 – 3,294
…hiervon direkt oder kurzfristig nutzbar52.7000,8791,117 – 2,2340,898 – 1,796
Zusätzlich: B-Plan (Rohbauland)34.2000,5700,648 – 1,2960,487 – 0,973
Zusätzlich: F-Plan (Bauerwartungsland)99.9001,6661,992 – 3,9841,480 – 2,960


Tabelle 2: Abschätzung realisierbarer Wohneinheiten unter unterschiedlichen Annahmen: Pauschale Dichteannahme (Meth. 1) sowie differenzierte Dichten nach BBSR-Kreistypen (Meth. 2) bzw. nach Gemeindegrößenklassen (GGK; Meth. 3); Quelle: Berechnung und Darstellung IW, im Auftrag des BBSR

In der direkten Gegenüberstellung des ermittelten Gesamt-Baulandpotenzials mit regionalen Bedarfen zeigt sich ein schwach negativer Zusammenhang zwischen Bedarfen und Potenzialen. Diese Unterschiede sind allerdings nur graduell. Während in Kreisen mit sehr niedrigen Bedarfen etwa 45 % der befragten Städte und Gemeinden hohe oder sehr hohe Potenziale aufweisen, sind es in den Kreisen mit sehr hohen Bedarfen nur knapp 40 %.

Soweit die Städte und Gemeinden Angaben zu den über das existierende Gesamt-Baulandpotenzial hinausgehenden zusätzlichen Flächenbedarfen gemacht haben, fällt dabei insbesondere der durchgängig höhere Flächenbedarf für Ein- und Zweifamilienhäuser auf. Rund 75 % des angegebenen zusätzlichen Flächenbedarfes für Wohnen entfällt auf diese Wohnform, nur 25 % auf den Geschosswohnungsbau.

Flächenerfassung

Zumindest mit Blick auf die 2012 erhobenen Kategorien Brachflächen, Baulücken und Leerstände zeigen sich deutliche Fortschritte bei der Verbreitung von Maßnahmen der Flächenerfassung. So geben beispielsweise für die am häufigsten erfasste Kategorie der Baulücken heute insgesamt rund 50 % der Städte und Gemeinden eine flächendeckende Erfassung an. 2012 waren es nur etwa 30 %. Bei gemeinsamer Betrachtung der erhobenen Kategorien „Flächendeckende Erfassung“ und „Erfassung für Teilgebiete“ liegen insgesamt Baulücken, FNP-Potenziale (Bauerwartungsland), baureife Baulandreserven und B-Plan-Potenziale (Rohbauland) mit jeweils über 50 % der Gemeinden an der Spitze der Erfassungsaktivitäten. Diese Kategorien stehen zugleich auch bei der Fortschreibung der Daten an der Spitze. Zwischen rund 40 % (Baulücken) und etwa 30 % (FNP-Potenziale) der erfassenden Kommunen geben hier eine regelmäßig jährliche Fortschreibung an.

Flächenentwicklung

Mit Blick auf Instrumente der Wohnbaulandentwicklung fragte das Projektteam die Bedeutung rechtlicher Instrumente und grundsätzlicher Strategien ab. Bei den rechtlichen Instrumenten messen die Befragten qualifizierten Bebauungsplänen die höchste Bedeutung zu. Gut 50 % von ihnen sehen hier einen großen Beitrag, weitere rund 30 % einen relevanten Beitrag. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Bebauungsplan der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB sowie das beschleunigte Verfahren für Außenbereichsflächen nach § 13b BauGB. Hier sehen rund 18 % und rund 20 % der Städte und Gemeinden einen großen Beitrag. Dabei wird Maßnahmen nach § 13b BauGB insbesondere von den Kleinstädten und Landgemeinden große oder relevante Bedeutung zugemessen, während solche Maßnahmen in den Großstädten eher nachrangige Bedeutung haben.

Bei den allgemeineren Strategien der Wohnbaulandentwicklung schreiben die Befragten insbesondere der klassischen Angebotsplanung große Bedeutung zu. Über 70 % der Kommunen sehen hier einen großen oder relevanten Beitrag. Auf den weiteren Plätzen folgen die Entwicklung gemeindeeigener Flächen durch die Gemeinde sowie privater Flächen durch private Akteure aufgrund eines städtebaulichen Vertrags oder eines vorhabenbezogenen B-Plans – mit etwa 45 % und circa 35 % der Städte und Gemeinden, die einen großen oder relevanten Beitrag sehen. Fast gar keine Rolle spielt die Wohnbaulandentwicklung in interkommunalen Kooperationen.
Über die Bedeutung von Instrumenten und Strategien hinaus erfragte das Projektteam zusätzlich verschiedene grundsätzliche bodenpolitische Orientierungen. Hier gaben die Befragten am häufigsten eine bedarfsorientierte Baulandentwicklung an. Dieser Ansatz trifft in rund 35 % der Kommunen "voll und ganz" sowie in weiteren etwa 48 % "eher" zu. Eine klare quantitative Begrenzung der Flächenausweisung sowie ein explizites Bekenntnis zum Vorrang der Innenentwicklung geben circa 23 % und rund 20 % der Gemeinden an ("trifft voll und ganz zu"). Bei weiteren etwa 25 % und beim Vorrang Innenentwicklung sogar bei fast der Hälfte treffen diese Orientierungen "eher" zu.

Damit zeigt sich eine gegenüber der IEP-Studie von 2012 gestiegene Bedeutung von Maßnahmen der Innenentwicklung. Der damals ähnlich gefassten Aussage "Brachflächen und Baulücken werden vorrangig vor Neuausweisungsflächen entwickelt" stimmten 2012 nur gut 10 % „voll und ganz“ und weitere gut 30 % "eher" zu. Zugleich hat das Thema "doppelte Innenentwicklung" gegenüber 2012 in einer Hinsicht an Bedeutung verloren: Großes Potenzial von Brachflächen und Baulücken zur nichtbaulichen Entwicklung (Renaturierung, Grün-/Erholungsflächen usw.) sehen heute nur rund 6 % (2012: 10 %) der Kommunen "voll und ganz" und etwa 20 % (2012: 30 %) "eher".

Desktop-Recherche zum Status quo der Baulanderfassung und -mobilisierung

Die vom Projektteam vor der Befragung durchgeführte Desktop-Recherche zeigt, dass dem Thema Baulandpotenzialerfassung von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird. Einerseits stehen in elf von 16 Bundesländern grundsätzlich Datenbanksysteme zur Verfügung, die das Thema Baulanderfassung explizit auf kommunaler Ebene adressieren. Andererseits verdeutlicht die Umfrage ergänzend, dass die Nutzung dieser Angebote sehr stark variiert. So wenden 74 % der an der Befragung teilnehmenden Städte und Gemeinden aus Rheinland-Pfalz den dortigen "RAUM+Monitor" an, in anderen Ländern werden die zur Verfügung stehenden Systeme weniger bis kaum genutzt. Hierfür gibt es unterschiedliche Ursachen. So sind die Tools nur in einigen Ländern verpflichtend, beispielsweise um der Regionalplanung die Notwendigkeit von neuen Wohnbaugebieten nachzuweisen (Rheinland-Pfalz) oder für Förderanträge (Thüringen).
Die Fallstudienuntersuchungen zeigen zudem, dass sich die Systeme in einigen Ländern noch im Aufbau befinden oder bereits veraltet sind. Das kann dazu führen, dass Städte und Gemeinden sie kaum nutzen und eher auf eigene modernere Systeme zurückgreifen. Hilfreich wären daher neue Initiativen, um die Kommunen dabei zu unterstützen, die Anforderungen an das Flächenmanagement mit modernen Methoden und Systemen zu bewältigen. Inhaltlich konzentrieren sich die Methoden der Baulanderfassung in aller Regel auf die Erhebung von Potenzialflächen im Innenbereich sowie die Erfassung von Baulücken und Brachflächen. Alle Tools verwenden dabei zwar ähnliche, jedoch nicht einheitlich festgelegte Begriffe und Kategorien. Das haben auch die Fallstudienuntersuchungen als Schwierigkeit aufgedeckt.

Typische Instrumente zur Mobilisierung von Baulandpotenzialen sind öffentlich zugängliche Baulückenkataster, Immobilien- und Grundstücksbörsen, gezielte Förderprogramme zur Schließung von Baulücken oder strategische Aufkäufe von Flächen zur mittelfristigen Entwicklung und Deckung des Baulandbedarfs. Eine häufig thematisierte Voraussetzung und manchmal auch Hürde ist dabei allerdings die Kooperationsbereitschaft der Flächeneigentümerinnen und -eigentümer. Dementsprechend ist die gezielte Ansprache der Eigentümerinnen und Eigentümer laut Umfrage der bei weitem häufigste Ansatz.
Mit Blick auf internationale Erfahrungen untersuchte das Projektteam Aktivitäten und Beispiele aus der Schweiz, Luxemburg, Österreich, Großbritannien, der Europäischen Union sowie den Vereinigten Staaten von Amerika untersucht. Trotz aller Unterschiede hinsichtlich wirtschaftlicher und demografischer Entwicklung sowie von Planungskulturen und der Planungsautonomie von Kommunen lassen sich auch Gemeinsamkeiten feststellen. So steht in allen Staaten mit Regionen im strukturellen Wandel die Revitalisierung von Industriebrachen und Gewerbeflächen (brownfields) im Vordergrund. Aber auch die Nutzung von Baulücken und die Vermeidung Leerständen sind wichtige Themen. Interessant ist dabei beispielsweise der "Call-for-Sites"-Ansatz in Großbritannien. Hier werden nicht nur Flächen-Eigentümerinnen und -Eigentümer, sondern explizit auch die breite Bürgerschaft angesprochen, Flächenpotenziale zu melden, für die eine Entwicklungsnotwendigkeit oder -eignung angenommen wird. Ein internationales Beispiel für eine finanzielle Unterstützung von Kommunen bei der systematischen Aktivierung von ungenutzten Bestandsflächen bietet das "Brownfield-Program" der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA). Ein Beispiel für überregionale Initiativen als Grundlage für Strategien und Kooperationen der Flächenentwicklung oberhalb der kommunalen Ebene bietet das Schweizer Raum+-Verfahren, dort auf kantonaler Ebene.

Fallstudienuntersuchungen

Für die Fallstudienuntersuchungen führte das Projektteam zunächst mit 21 Städten und Gemeinden explorative Interviews durch. Vertreten waren Kommunen mit unterschiedlichen siedlungsstrukturellen und demografischen Dispositionen sowie inhaltlich besonders interessanten Ansätzen. Darauf basierend erfolgten im nächsten Schritt in fünf ausgewählten Kommunen intensivere Fallstudienuntersuchungen.

Mit dem Einsatz von Systemen zur Erfassung von Flächenpotenzialen legen kommunale Akteure die Grundlagen für informierte Entscheidungsprozesse und ein nachhaltiges Flächenmanagement. Wesentliches Ziel ist dabei einerseits die Aktivierung bereits genutzter und erschlossener Flächen im Siedlungsbestand und zusätzlich die Beobachtung von Veränderungen, insbesondere hinzukommender Flächenpotenziale. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Erfassungsmethoden, Fortschreibung und Aktualisierung finden sich sehr unterschiedliche Ansätze. Wichtig ist aus Sicht der Kommunen, dass entsprechende Tools anwenderfreundlich sind sowie idealerweise über Schnittstellen verfügen, die einen automatisierten Datenaustausch zwischen Verwaltungseinheiten und Behörden erlauben. Dabei wurde allerdings auch die Notwendigkeit der Entwicklung übergreifender Standards der Flächenerfassung thematisiert.

Als wichtigstes Hemmnis einer systematischen Erfassung und Pflege von Flächendaten verdeutlichten sowohl die Fallstudien als auch die Umfrage personelle Kapazitätsgrenzen. So wird beispielsweise bei Bevölkerungsrückgang im Zweifelsfall auf eine aufwändige kleinteilige Flächenerfassung verzichtet und eher die Ansprache der Eigentümerinnen und Eigentümer zur Flächenmobilisierung intensiviert. Der Aufbau von qualifiziertem Personal ist damit die zentrale Herausforderung der Städte und Gemeinden bei der Etablierung eines erfolgreichen Flächenmanagements. Abbildung 2 zeigt zentrale Ergebnisse der Baulandumfrage 2020 im Überblick.

Fazit und Ausblick

Insgesamt liegt mit den Ergebnissen der Baulandumfrage 2020 und den ergänzenden qualitativen Fallstudienuntersuchungen ein repräsentativer Überblick zu Größenordnungen von Flächenreserven und ‑potenzialen sowie hinsichtlich Flächenerfassung und -management in den Städten und Gemeinden Deutschlands vor. Dabei ermöglicht der Umfang des Rücklaufs grundsätzlich auch Auswertungen unterhalb der Bundesebene etwa nach Gemeindegrößenklassen, Wachstumsdynamik, siedlungsstrukturellen Kreistypen oder Ländergruppen. Auch wenn entsprechende Aussagen aufgrund der grundsätzlich auf die Bundesebene orientierten Konzeption der Untersuchungen naturgemäß mit höheren Unsicherheiten verbunden sind, entsteht doch insgesamt ein differenziertes Bild. Insbesondere ermöglicht der grundsätzlich gleiche Ansatz den Vergleich zur Situation zum Zeitpunkt der Innenentwicklungsstudie aus dem Jahr 2012.

Mit mindestens 99.000 ha Gesamtflächenpotenzial lassen sich unter konservativen Annahmen auf dem für Wohnen vorgesehenen Flächenanteil theoretisch zwischen knapp 900.000 WE und gut 2.000.000 WE realisieren. Allein diese unmittelbar verfügbaren Potenziale entsprechen rund 60-133 % eines auf Grundlage des Wohnungsbedarfsmodells des IW Köln bis zum Jahr 2025 angenommenen Wohnraumbedarfes von etwa 1,5 Millionen WE. Dabei kann das Wohnungsbaupotenzial je nach Annahmen erheblich größere Dimensionen annehmen und theoretisch auf mehr als 4.000.000 WE steigen (heute nicht absehbare, aber erfahrungsgemäß realisierte Flächenzuflüsse nicht einbezogen).

Vor dem Hintergrund dieser insgesamt existierenden, nicht unerheblichen Flächenpotenziale ist die weitere grundsätzliche Orientierung auf den Vorrang der Innenentwicklung notwendig. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Ziel, die tägliche Flächenneuinanspruchnahme bis 2030 zumindest auf unter 30 ha zu begrenzen. In vielen Städten und Gemeinden ist der Vorrang der Innentwicklung auch nach wie vor eine realistische Option. So lässt sich viel Wohnraum schaffen, dabei darf das Konzept einer „doppelten Innenentwicklung“ aber nicht aus dem Blick geraten. Gerade die Corona-Pandemie hat die Bedeutung von wohnortnahen Frei- und Erholungsflächen noch einmal sehr deutlich gemacht.

Unabhängig von der jeweiligen lokalen Situation ist eine umfassende Kenntnis der vorhandenen Flächenpotenziale eine wesentliche Grundbedingung eines zielgerichteten Flächenmanagements. Die Ergebnisse der Umfrage legen nahe, dass Städte und Gemeinden mit entsprechender Datenerfassung ihre Flächenpotenziale vollständiger im Blick haben. Um hier den bestehenden Kapazitätsproblemen insbesondere kleinerer Städte und Gemeinden abzuhelfen, erscheint die Unterstützung übergeordneter Initiativen und Angebote der Bauland- und Flächenerfassung sinnvoll. Dazu gehört auch die Bekanntmachung entsprechender Flächenmanagement-Tools und die Aufklärung über die Vorteile, die mit einer einheitlichen Verwendung dieser Tools in den verschiedenen Gemeinden einhergehen, wie etwa die Einsparung eigener Entwicklungsanstrengungen. Dabei müssen entsprechende Instrumente allerdings auch auf dem inhaltlich und technisch aktuellsten Stand gehalten werden. Hinweise aus den Fallstudien-Untersuchungen legen nahe, dass statt vorhandener übergreifender Anwendungen teilweise aktuellere und leistungsfähigere eigene Lösungen bevorzugt werden.

Ein wichtiger Aspekt der Weiterentwicklung ist der Ausbau von Schnittstellen zu anderen Datenbeständen und Einrichtungen einschließlich der Entwicklung übergreifender Standards. Solange entsprechende bundesweit vergleichbare Daten nicht vorliegen, bleibt das Instrument der Baulandumfrage besonders wichtig. Es ist dann auch zukünftig die einzige Möglichkeit, eine umfassende Orientierung zu existierender Flächenpotenzialen sowie zum Status Quo von Flächenerfassung und Flächenmanagement in deutschen Städten und Gemeinden zu gewinnen.

Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. wird gemeinsam durch Bund und Länder gefördert.

FS Sachsen

Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.