Deutschland ist von einem zusammenhängenden und dichten Netz aus Gebäuden bedeckt. Kein Standort ist weiter als 6,3 Kilometer vom nächsten Haus entfernt. Das haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer gemeinsamen Studie herausgefunden. Sie hatten untersucht, bis zu welchem Grad Deutschland überbaut ist und ob es hierzulande überhaupt noch gebäudefreie Zonen gibt. Die Ergebnisse haben selbst die Wissenschaftler überrascht. Sie sind nun online im Fachmagazin "Landscape and Urban Planning" nachzulesen.
Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler den Geodatensatz Hausumringe Deutschland (HU-DE) des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie. Ob Wohnhaus, Fabrikgebäude oder Garagenhof – alle Gebäude in Deutschland mit einem Grundriss größer als 10 Quadratmeter wurden bei den Berechnungen berücksichtigt, ihre maximale Entfernung zueinander in verschiedenen Schrittweiten berechnet. Die Ergebnisse der Berechnungen wurden schließlich als Cluster in Karten sichtbar gemacht – Cluster, die sich zum Teil als Netz über fast das gesamte Bundesgebiet erstrecken (siehe Abbildung 1).
Gebiete ohne Gebäude kaum noch zu finden
Auch der umgekehrten Frage gingen die Wissenschaftler von IÖR und PIK nach: In welchen Gebieten lassen sich überhaupt keine Gebäude finden und wie groß sind solche Freiflächen? Die Ergebnisse zeigen: Das größte gebäudefreie Gebiet misst gerade einmal 12,6 Kilometer im Durchmesser. Der maximale Abstand zum nächstgelegenen Gebäude beträgt damit nur etwas mehr als sechs Kilometer. Besonders überraschend für das Forscher-Team: "Entgegen unseren Erwartungen sind die größten Freiflächen nicht etwa in Naturschutzgebieten zu finden. Stattdessen zeigte sich, dass noch genutzte oder ehemalige Truppenübungsplätze die am wenigsten mit Gebäuden bebaute Fläche aufweisen", berichtet Diego Rybski. Die fünf abgelegensten Gebiete sind die Truppenübungsplätze (TÜP) Bergen im Süden der Lüneburger Heide (maximale Entfernung zum nächsten Gebäude: 6.320 m), Baumholder (4.850 m) in Rheinland-Pfalz, Hohenfels (4.250 m) in der Oberpfalz und Oberlausitz (4.170 m) im Nordosten von Sachsen sowie der ehemalige TÜP Kyritz-Ruppiner Heide (4.440 m) in Brandenburg – immerhin ein Teil dieses ehemaligen Militärgeländes ist inzwischen wichtiges europäisches Naturschutzgebiet (Flora-Fauna-Habitat/FFH). (siehe Abbildung 2)
Flächenschutz dringend erforderlich
"Unsere Ergebnisse machen deutlich, wie dringlich es ist, in Deutschland mehr für den Flächenschutz und auch für die Entsiegelung von Böden zu unternehmen", so Martin Behnisch vom IÖR. Zwar gebe es bereits eine Vielzahl politischer Strategien, gesetzlicher Regelungen und planerischer Instrumente, die auf eine sparsamere Flächennutzung abzielten. Doch auch der leichte Rückgang bei der Neuinanspruchnahme von Flächen könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland von einer tatsächlichen Trendwende noch weit entfernt ist. Hierin sind sich die Wissenschaftler von IÖR und PIK einig.
Nicht nur in Deutschland und Europa ist das Thema Flächennutzung zentral, wenn es um nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz geht. "Fast drei Viertel der bewohnbaren Fläche weltweit werden bereits vom Menschen genutzt. Es wird deshalb immer wichtiger, die Siedlungsentwicklung kontinuierlich zu beobachten und mit Blick auf Fragen nachhaltiger Entwicklung zu bewerten", erläutert Diego Rybski. Die von PIK und IÖR neu entwickelten Messkonzepte schaffen dafür wichtige Grundlagen. Die Ergebnisse der Studie fließen in den Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung (www.ioer-monitor.de) ein. Diese wissenschaftliche Dienstleistung des IÖR steht Interessierten im Internet frei zur Verfügung. Der IÖR-Monitor wurde mit dem Ziel entwickelt, Städte und Regionen bei der ressourcen- und flächenschonenden Entwicklung zu unterstützen.
Originalpublikation:
Behnisch, Martin; Schorcht, Martin; Kriewald, Steffen; Rybski, Diego (2019): Settlement percolation: A study of building connectivity and poles of inaccessibility. In: Landscape and Urban Planning, 191: 103631.
Wissenschaftlicher Kontakt im IÖR
Dr. Martin Behnisch, E-Mail: M.Behnischioer@ioer.de
*Dr. Diego Rybski, E-Mail: D.Rybskiioer@ioer.de (Dr. Diego Rybski ist seit 2024 - gefördert durch das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft/DFG - im IÖR tätig.)